Mittwoch, 7. Dezember 2011

Balanka, da spricht man Balanka!

So, hier nun der versprochene Reisebericht. Ich werde auch wieder versuchen, Fotos auf pixxolo.de hochzuladen. Los geht’s!

Letzten Donnerstag Mittag sind zwei andere Freiwillige und ich in das nördlich gelgene Balanka aufgebrochen. Reisen funktioniert in Togo wie folgt: Man geht zu einem Busbahnhof oder einem Ort, von dem bekannt ist, dass dort die Autos nach Atakpamé oder wo auch immer man hinwill losfahren, fragt sich durch und sitzt wenig später in einem Auto oder einem Bus. Was nicht heißt, dass dieser bald losfährt. Übliche Belegung eines Autos: hinten vier, vorne drei bis vier Personen plus Fahrer. Also sitzen wir erstmal eine Weile in unserem halbvollen Bus und warten, bis dieser sich füllt. Etwa zwei Stunden und zwei Fanmilk-Eis später geht es endlich los Richtung Atakpamé. Der Straße von Kpalimé nach Atakpamé wird nachgesagt, die schlechteste ganz Togos zu sein. Wir werden nicht enttäuscht: Die „Straße“ ist eher eine Anreihung von Schlaglöchern mit bisschen Teer dazwischen und wir werden kräftig durchgeschüttelt. Dreieinhalb Stunden später sind wir 140km weiter und in Atakpamé angekommen. Wir beschließen dort die Nacht zu verbringen und uns die Stadt anzuschauen. Atakpamé ist zwar großer als Kpalimé, erscheint aber viel ruhiger und weitläufiger. Natürlich spielt sich auch hier der Großteil des Lebens auf der Straße ab: Überall gibt es kleine Straßenstände, Boutiquen mit einem Fernseher, vor denen sich Menschen versammeln, Motos, die einen mitnehmen wollen. Nichtsdestotrotz erscheint Atakpamé weniger hektisch als Kpalimé.
Am nächsten Morgen organisieren wir uns am Straßenrand ein kleines Frühstück und finden auch sofort einen Fahrer, der uns bis nach Sokodé mitnimmt. Auf der Fahrt steigen immer wieder Leute ein und aus, mal sind wir zu viert, mal zu acht im Auto. Die Straße ist um Längen besser und es geht schneller voran, bis unser Auto eine Panne hat und wir in ein anderes umsteigen müssen. Im zweiten Auto sitzt vorne ein Polizist mit einem Gefangenen, was ich erst am Ende unserer fündstündigen Fahrt entdecke, da wir in Sokodé noch kurz am Gefängnis halten und ich da erst bemerke, dass der Mann Handschellen trägt. Von Sokodé geht es dann weiter nach Balanka. Zwei Stunden später kommen wir endlich, endlich in Balanka an und werden gleich von den Kindern begrüßt: Yofo, Yofo! Aus dem Yovo ist hier der Yofo geworden und aus Ewe plötzlich Balanka, das nur in Balanka gesprochen wird.
Die nächsten zwei Tage verbringen wir zusammen mit den beiden Balanka-Freiwilligen. Wir schauen uns die riesige, zweistöckige Bibliothek an (zweistöckige Gebäude sieht man ansonsten eher selten), genießen auf deren Dach den Sonnenuntergang und verbringen einfach viel Zeit mit Erzählen. Balanka ist um einiges größer als Tomégbé, dennoch ein Dorf. Ein Dorf mit sechs Moscheen, drei Schulen und einer schönen Atmosphäre. Die Männer sitzen abends vor den Moscheen und quatschen, am Straßenrand werden nach Tofu schmeckender Käse und gefrorene Säfte verkauft und abends kann man nicht schlafen, weil die Kinderdisko gleich nebenan ist und bis zwei Uhr morgens gefeiert wird. Außer der Bibliothek und einigen Generator betriebenen Häusern gibt es keinen Strom, daher ist die Kinderdisko eine der wenigen Beschäftigungsmöglichkeiten. Des Nachts auf der Toilette mache ich meine erste Bekanntschaft mit togoischen Kakerlaken und werde mich wohl eher nicht mit ihnen anfreunden. Da sind mir die kleinen Geckos, die ab und an durch mein Zimmer huschen, schon deutlich lieber. Nach zwei Tagen ist unser Ausflug nach Balanka auch schon wieder vorbei, ich bin inzwischen krank geworden und fahre mit einer Mittelohrentzündung und einer Wassermelone im Gepäck zurück nach Tomégbé. Tatsächlich habe ich, als ich wieder in bei meiner Gastfamilie bin, ein richtiges Nach-Hause-Kommen-Gefühl und freue mich, meinen Gasteltern alles zu erzählen und mit meiner Gastschwester herumzualbern. Am nächsten Tag routiert man schon wieder in Routine. Und da ich Euch noch gar nichts von meinem Alltag hier erzählt habe, obwohl ich schon seit zwei Monaten in meiner Gastfamilie bin, kommt das jetzt.


Hallo, Alltag!
Morgens stehe ich um 5:30 auf und mache mich fertig für die Schule. Zum Frühstück bekomme ich ein Weißbrot mit Margarine oder Käse oder frittierte Teigbällchen (Beignés), nach dem Frühstück gehe ich meistens nochmal die anstehenden Unterrichtsstunden durch. Um 6:30 treffe ich mich mit meinem Einsatzstellenpartner vor meinem Haustor und wir gehen gemeinsam den steilen Weg zur Schule hinauf. Meinstens kommen wir an, wenn der Morgenappell (Fahne hissen und Hymne singen) schon vorbei ist, verharren noch einige Minuten im Lehrerzimmer und begrüßen die anderen Lehrer, bevor wir in unsere Klassen gehen.
Seit Ende Oktober habe ich die 4ème und die 3ème (9. und 10. Klasse) in Mathe übernommen. Ich halte den Unterricht eigenständig, allerdings sitzt mein Vertrauenslehrer noch hinten drin und schläft meistens. Pro Tag halte ich höchstens zwei Stunden, insgesamt acht Stunden die Woche, die restliche Zeit sitze ich entweder im Lehrerzimmer oder in der Bibliothek. Zu Beginn jeder Stunde kontolliere und bespreche ich die Hausaufgaben, beginne dann mit dem neuen Thema und mache zum Schluss einige Übungen. Oftmals ist es bei 70 Schülern in der Klasse schwer festzustellen, ob wirklich alle das Thema verstanden haben. Aber nachdem ich zum gefühlten hundertsten Mal meinen beiden Klassen erklärt habe, dass sie ruhig Fragen stellen sollen, trauen sich immerhin einige zuzugegeben, wenn sie etwas nicht verstanden haben. Und meistens reicht es einfach, die Aufgabe nochmal in Ruhe und Schritt für Schritt zu erklären. Eine weitere Schwierigkeit war, dass meine Schüler nicht gewöhnt waren, eigenständig Aufgaben zu lösen. Normalerweise werden ein paar Aufgaben angeschrieben und einer der siebzig Schüler kommt nach vorne an die Tafel und rechnet die Aufgabe vor. Wenn er es falsch macht, schickt man eben den nächsten vor oder lässt ihn so lange vorne stehen, bis ihm die Klassenkameraden die Lösung einsagen. Inzwischen habe ich es geschafft, dass jeder Schüler die Aufgabe erstmal eigenständig zu lösen versucht, bevor wir sie gemeinsam besprechen. Während der Stillarbeit laufe ich durch die Reihen und kann die eine oder andere Unklarheit direkt mit den einzelnen Schülern beseitigen. Das kostet zwar mehr Zeit, aber immerhin versucht sich jeder alleine an der Aufgabe und sieht, wo der Fehler lag.
Es klappt also ganz gut mit den beiden Klassen und es macht spornt mich an zu sehen, wie motiviert die Schüler sind, wenn sie etwas verstanden haben. Mein einziges Problem ist und bleibt das Namen lernen. Dadurch, dass die Schüler oftmals nach den Wochentagen benannt sind, wiederholen sich viele Namen und aus irgendeinem Grund fangen 90% der Nachnamen mit A an. Die Namen der Störenfriede und Dauermelder hat man natürlich schneller im Kopf als die der Stilleren. Inwzischen habe ich mir einen Sitzplan erstellt und angefangen, die Namen richtig zu lernen.
Nach meiner Schulstunde oder zwischen den Stunden hänge ich im Lehrerzimmer herum, korrigiere Tests oder diskutiere mit den Lehrern über Politik, Religion oder die Unterschiede zwischen dem deutschen und dem togoischen Schulsystem. In der großen Pause um 9:45 ist Lehrerkonferenz, in der man sich etwas Warmes zu essen holen oder vom Schüler bringen lassen kann – ich hole mir mein Essen im Gegensatz zu den anderen Lehrern noch immer selber. Etwa um zwölf, manchmal auch früher gehe ich nach Hause, wo meine Gastmama meistens schon das Mittagessen zubereitet. Nach dem Essen gehe ich entweder wieder in die Schule zur Wiederholungstunde für die 3ème (mittwochs) oder in die Bibliothek (donnerstags) oder ich fahre nach Kpalimé (freitags). Dienstags ist nachmittags Devoir Surveillée (Klassenarbeit) in allen Klassen und manchmal bin ich zur Aufsicht eingeteilt. Ich genieße regelrecht, dass nach dreizehn Jahren Schule meine Rolle gewechselt hat und ich jetzt bei den Klassenarbeiten streng gucken und blöde Sätze wie „Noch einmal und ich nehme dir das Blatt weg“ oder „Das ist keine Partnerarbeit, jeder arbeitet für sich!“ sagen darf. Meistens jedoch beschränke ich mich auf den bösen Blick, weil meine letzte Klausur so lange auch wieder nicht her ist und ich mich der abschreibewilligen Schüler bei uns noch ganz gut ensinnen kann.
Montags ist mein freier Nachmittag, den ich mit Lesen, Wäsche waschen oder mit meiner Gastschwester verbringe. Neuerdings helfe ich Ameyo bei Wasserholen am Fluss und das hat erstmal für großen Aufruhr im Dorf gesorgt, dass Madame Aku plötzlich einen Eimer Wasser auf dem Kopf trägt. Ich muss ihn natürlich im Gegensatz zu Ameyo noch mit einer Hand festhalten, aber wenn er leer ist, kann ich ihn auch schon ohne Festhalten auf meinem Kopf balancien. Abends esse ich mit meinen Gasteltern zusammen und anschließend unterhalte ich mich meistens noch mit meinem Gastpapa oder lerne Ewe. Nach der abendlichen Dusche setze ich mich an meine Unterrichtsvorbereitung. Im Laufe des Abends kommt Ameyo in mein Zimmer zum Hausaufgaben machen, Lesen üben oder einfach, um ein bisschen zu quatschen und rumzutollen. Dreimal wöchentlich gehe ich abends zur Chorprobe und singe im Alt mit. Es ist eine tolle Gelegenheit, andere Dorfbewohner kennenzulernen und meine Ewekenntnisse zu verbessern. An den Wochenenden bin ich meistens in Kpalimé im Internetcafé, beim Ewekurs oder auf dem Markt. Samstag nachmittags gehe ich im Collège Protestant in Kpalimé Volleyball spielen und ab und an kommen meine anderen Gastgeschwister sonntags nach Tomégbé und wir verbringen den Tag zusammen. Mein Alltag ist also zu Genüge ausgefüllt, dennoch habe ich viel Zeit für mich und kann endlich wieder in Ruhe ein Buch lesen, das nicht auf dem Lektüreplan der Oberstufe steht. Langsam merke ich, wie ich eine echte Dörflerin werde: Jedes Mal, wenn ich in Kpalimé unterwegs bin, kommt mir die Stadt unglaublich stressig und anstrengend vor und ich bin froh, in das verschlafene Tomégbé zurückzukehren. Weihnachten rückt nun immer näher und somit auch die anstehenden Weihnachtsferien, die ich in Ghana verbringen werde. Weihnachtsstimmung will hier nicht wirklich aufkommen. Obwohl es nachts immer eisig kalt ist (der Wüstenwind lässt grüßen), hat es tagsüber noch immer 30° und vor meinem Fenster neigt sich eine Kokospalme im Wind. So richtig glauben, dass es schon Dezember ist und Ihr drüben anfangt Eure Fenster mit Lichterketten zu schmücken und durch die Geschäfte zu hetzen, kann ich nicht.

So, das war jetzt mal ein langer Blogeintrag, aber das Wichtigste wie immer zum Schluss:
Ich freue mich über jede Mail aus dem Ländle und anderen Teilen Deutschlands und der Welt, zumal ich vom Weltgeschehen nicht viel mitbekommen habe in den letzten drei Monaten. Meine Tagesnachrichten bekomme ich lediglich von der Obstfrau vor meinem Haus, die mir verraten hat, dass Gadaffi tot ist und Carla Bruni ein Kind bekommen hat. Also, gerne Mails an claudia_chwila@biomail.de

Seid umarmt,
Miadogo-loo (bis bald!)

Eure Akuvi.
(die kleine Aku)

Samstag, 5. November 2011

Va midunu!

Komm, iss! - Lautet die Einladung zum Essen, wenn ein Togoer gerade sein Mittagsmahl vor sich stehen hat. Soweit ich das richtig verstanden habe, handelt es sich eher um eine Floskel, sinngemäß übersetzt Guten Appetit. Aber wehe ich lade meinen Gastbruder oder meinen Motofahrer nicht zum Essen ein, wenn ich mittags von der Schule komme! Dann bekomme ich gleich ein „Tu ne m'invites pas?!“ (Du lädst mich nicht ein?) zu hören. Manchmal wird Ewe auch wörtlich ins Französische übersetzt und aus va midunu wird eben mangeons und aus gbo kaba lo wird reviens vite (komm schnell zurück). Das Problem dabei ist, dass man Ewe manchmal nicht allzu wörtlich nehmen darf. „Komm schnell zurück“ ist eher als „Geh, aber komm wieder“ zu deuten. So entstehen schnell Missverständnisse. Das Heilmittel? Ewe lernen, und zwar schnell (kaba, kaba)! Und wie geht es meinen Ewe-Kenntnissen nach zwei Monaten Togo? Es geht. Die Dorfbewohner zwingen mich zwar, Ewe zu sprechen (was gut ist und mich freut!), aber wenn ich nicht mehr weiter weiß, spreche ich einfach wieder französisch (was schlecht ist, weil ich so kein Ewe lerne). Immerhin habe ich inzwischen die Begrüßungsformeln drauf – das hört nicht auf bei der Frage nach dem Wohlbefinden, nein, man muss auch in Erfahrung bringen, wie die gestrige Arbeit war, wie es den Kindern und den anderen Bewohnern des Hauses geht, wie es in Kpalimé oder in der Schule läuft usw. Erst wenn man fertig gefloskelt hat, fängt man ein Gespräch an.
Worüber sollte es in diesem Blogeintrag gehen? Ach ja, ums Essen!

Essen spielt eine ziemlich wichtige Rolle. Il faut bien manger! Man muss gut essen!
Morgens habe ich wahlweise Weißbrot, Omlette oder Beignés (die Norddeutschen sagen Schmalzkuchen) und dazu Kaffee, Kakao oder Tee. Wobei der Kaffee Instantkaffee ist und der Kakao ein Kakao-Zucker-Milchpulver-Gemisch. Der Tee ist echt, also trinke ich meistens Tee.
Mittags und abends wird warm gegessen. Abgesehen von euch bekannten Gerichten wie Reis, Couscous und Spaghetti stehen nun auch Fufu, Pâte oder Abladzo auf meinem Tisch.
Fufu? Das ist gekochte und gestamptfe Yamswurzel – von der Konsistenz her wie zäher Kartoffelbrei, es schmeckt eigentlich nach nichts und ich liebe es. Fufu erinnert mich ein bisschen an die schlesischen Klöße meiner Mama und genauso wie bei den Klößen ist es auch bei Fufu – die Soße macht's.
Pâte bekomme ich zurzeit nicht mehr vorgesetzt, einfach weil ich es nicht besonders mag. Bestehend aus Maniok, Mais, Hirse oder bunt gemischt schmeckt es ebenso nach nichts und manchmal bisschen säuerlich.
Kochbananen sind ebenfalls klasse. Schmecken wie wenn man eine Kartoffel mit einer Banane kreuzt, dann hat man eine Bartoffel oder die sogenannte Kochbanane. Sie werden frittiert oder gekocht und meistens mit weißen Bohnen serviert.
Zum Nachtisch gibt es Obst aus dem Garten und wenn ich abends keinen großen Hunger habe, bouille (Haferbrei) mit Brot. Das nenne ich meinen Abendkakao, der mich daran erinnert, dass es bei euch in Deutschland immer kälter wird und bald die Zeit des vor dem Fenster Sitzens und warmen Kakao Trinkens anbricht. Dann ziehe ich mir bei 20°C meinen Pulli über, rühre in meiner Bouille und denke an Schnee. Aber ich darf nicht zu nostalgisch werden, sonst werde ich krank! - sagt mein Gastpapa. Überhaupt gibt es hier die großartigsten Begründungen für Krankheitsfälle: Du isst zu wenig, du isst zu viele Süßigkeiten, du denkst zu viel an Deutschland – um nur einige davon zu nennen. Bei mir ist gesundheitlich alles in Ordnung, ich war zwar wegen einer kleinen Infektion einige Tage im Krankenhaus, aber auch das ist schon wieder einen Monat her.
Ich esse weiterhin viel, halte mich gesund und euch auf dem neusten Stand

(Und schon bald gibt es Neues aus der Schule, der Bibliothek und Balanka!)

Bis dahin, seid umarmt,

Aku

P.S. : In nächster Zeit werde ich versuchen, einige Fotos auf Pixxolo.de hochzuladen. Also einfach auf pixxolo.de gehen, unter Usergalerien und dann claudiagehtweltwaerts, Passwort: astovot2011. 
Viel Spaß beim Anschauen!

Mittwoch, 19. Oktober 2011

Was? Schon wieder Schule?

Tout va bien à Tomégbé. Seit vorletzten Samstag bin ich nun endlich(!) in Agomé Tomégbé. Da es mindestens hundertzwanzigtausend Eindrücke sind, die in meinem Kopf herumschwirren, werde ich wieder versuchen das Wichtigste herauszufiltern.
Und,immerhin - wie sagt man in Togo - „C'est gratuit“!

Zunächst einmal meine Familie. Sie besteht aus Kodzo, meinem (Gast-)Papa, DaAmi, meiner (Gast-)Mama und Ameyo, meiner kleinen (Gast-)Schwester. Sie sind alle sehr fürsorglich, bei DaAmi habe ich immer freie Essenswahl (am liebsten frittierte Kochbananen mit Bohnen), abends wird mit Kodzo über das Schulsystem diskutiert oder eine kleine Ewe-Einheit eingelegt, danach helfe ich Ameyo bei den Hausaufgaben oder übe Lesen mit ihr. Meine beiden Zimmer sind sehr schön, die Wände cremefarben und inzwischen mit jeder Menge Fotos behangen. Sonstiges Mobiliar sind ein großes Bett, ein Schrank, ein Schreibtisch und -stuhl sowie ein Esstisch, noch mehr Stühle und viele Steckdosen! Und sonst? Gibt es nicht viel von meiner Familie zu berichten, da sie bereits so sehr „Alltag“ und einfach „Maman et Papa“ sind, dass mir jede weitere Erklärung vorkommt, als ob ich erklären würde, wie genau ich denn jeden Morgen meine Zähne putze – überflüssig!
Ach, und sonst haben wir für zwei Wochen einen neuen Mitbewohner, Shantiran aus Nepal, der ebenfalls einen Freiwilligendienst macht und momentan Lehmöfen für die Kirche und unsere Küche baut. Da er nur Englisch spricht, darf mein Kopf jeden Tag von Französisch auf Deutsch auf Englisch umschalten, was manchmal dazu führt, dass ich eine Frage auf Englisch mit „est-ce que“ beginnen möchte.

Und die Schule? Das CEG Tomégbé besteht aus fünf Klassen (6ème bis 3ème, also 7.-10.Klasse) à 36-71 Schülern, acht Lehrern, einem Schuldirektor und zwei neuen deutschen Freiwilligen, nämlich Jonas und mir. Nach der ersten Woche gibt es für uns nicht wahnsinnig viel zu tun, es gibt hier drei Mathelehrer und ich gehe in alle Klassen mit rein und helfe, wo ich kann, zB mache ich nun immer die Hausaufgabenbesprechung am Anfang der Stunde und korrigiere Kurzabfragen. Ich hoffe, demnächst die 5ème übernehmen zu können, da diese vom Direktor unterrichtet wird und er viel anderweitig beschäftigt ist, weshalb immer wieder Stunden ausfallen. Gestern hatten wir eine Elternversammlung zusammen mit den Schülern der 3ème und 4ème und es ist doch schön zu sehen, dass es die klassischen Schulprobleme ebenso am Mörike in Stuttgart wie auch im CEG in Tomégbé gibt: Die Schüler kommen zu spät, die Schüler machen ihre Hausaufgaben nicht, die Schüler schreiben schlechte Noten, sie lernen zu wenig und schwänzen Schule. Zu den „klassischen“ Problemen kommt hier noch hinzu, das viele Familien weder Tisch noch Strom haben und die Kinder deutlich mehr in die Hausarbeit eingespannt werden, so dass sie erst spätabends dazu kommen, die Hausaufgaben zu machen.
Daher haben Jonas und ich uns letzte Woche daran gemacht, die Schulbibliothek auf Vordermann zu bringen, die Bücher zu sortieren und zu katalogisieren und den Staub von den Regalen zu wischen. Und verstaubt ist es hier – die Bibliothek wird nur geöffnet, wenn Freiwillige sich darum kümmern; es gibt momentan leider noch keinen Bibliothekar. Sobald wir mit dem Aufräumen und Sortieren fertig sind, möchten wir eine Hausaufgabenbetreuung anbieten, bei der wir den Schülern auch zeigen möchten, wie man sich auf eine Klassenarbeit vorbereiten kann (gut, dass es am Mörike das Fach „Neue Lernformen“ gab, ich weiß bestens Bescheid!). Außerdem sind momentan Briefe von Herr Jörgs Französischklasse unterwegs – die Brieffreundschaft zwischen dem CEG Tomégbé und dem Mörike-Gymnasium Stuttgart kann bald beginnen! Darüber war unser Direktor M. Sewonou besonders erfreut, da laut ihm die Schüler zu wenig schreiben und lesen, und das soll geändert werden.
Ein heikles Thema ist für uns Freiwillige das Schlagen an togolesischen Schulen. Da wurde auf dem Vorbereitungsseminar sensibilisiert, was das Zeug hält und von ehemaligen Freiwilligen erzählt, wie Kinder mit dem Schlagstock verprügelt werden, wenn sie den Unterricht stören oder die Hausaufgaben nicht gemacht haben. Und wie geht man nun mit so einer Situation um? Keine Ahnung, denn unser Direktor ist glücklicherweise Pazifist und spricht sich offen gegen das Schlagen von Schülern aus. Schlagstöcke gibt es bei uns keine (mehr), der Direktor erklärt den Schülern regelmäßig, dass er sie nicht schlagen wird, wenn sie eine falsche Antwort geben und auch die anderen Lehrer verteilen außer einem freundschaftlichen Klaps auf den Rücken und Noten nichts mehr. Regelmäßig gibt es bei uns im Lehrerzimmer Diskussionen, wie man denn die Schüler am besten bestrafen könne und „am besten“ meint natürlich, sie dazu zu bringen, beim nächsten Mal den Unterricht nicht mehr zu stören oder ihre Hausaufgaben zu machen. Strafarbeiten, Trauvaux manuels („zum Hausmeister schicken“) oder ihnen einfach die Eigenverantwortung der Hausaufgaben nahebringen? Die Musterlösung lässt auf sich warten. Auf jeden Fall aber haben Jonas und ich Glück gehabt nicht mit Thema Schlagen konfrontiert zu werden. Denn obwohl es seit 2009 per Gesetz verboten wurde, Schüler mit dem Schlagstock zu schlagen, ist es an den Schulen anderer Freiwilliger in Agou Ga und Kpalimé noch Gang und Gebe. Und auch viele unserer togoischen Freunde sind der Meinung, dass der ein oder andere Schlag den Schüler wieder zur Besinnung bringt und dazu, fleißiger zu sein. Das Thema ist also noch längst nicht vom Tisch und die Idee des Schlagens noch in vielen togolesischen Köpfen präsent.
Wenn ich meine Vor-und Nachmittage nicht gerade in der Schule oder der Bibliothek verbringe, bin ich oft in Kpalimé, lerne bei Moise Djembe (Trommeln), bei Chérita Ewe und treffe mich mit anderen Freiwilligen. Wir gehen abends zusammen weg oder machen Ausflüge. Letztens waren wir bei den Wasserfällen in der Nähe von Tomégbé, nächste Woche steht die Besteigung des höchsten Berges Togos, dem Mt Agou auf dem Programm. Obwohl ich mich in meiner Familie und auch in der Schule gänzlich aufgenommen fühle, tut es doch gut, sich mit anderen Freiwilligen austauschen zu können und gemeinsam Erfolge und Misserfolge zu teilen. Demnächst haben wir auch vor, Selia und Caro in Balanka, einem kleinen muslimischen Dorf ohne Strom im Norden Togos zu besuchen – ich bin gespannt. Und ihr hoffentlich auch!

Bis dahin,
es grüßt und drückt euch,

Eure Aku.

Freitag, 23. September 2011

Ein neuer Name

Nun sind wir schon seit fast drei Wochen hier in Togo und seit fast zwei in Kpalimé. Ich habe mein erstes „Angekommen“-Gefühl, auch wenn ich das restliche Jahr eigentlich im 20min entfernten Tomegbé verbringen werde. Kpalimé ist wirklich wunderschön! Die bergige Landschaft, die Palmen und Bananenstauden, alles ist unendlich grün – willkommen in den Tropen. Hier ist es deutlich feuchter als in Lomé und es regnet jeden zweiten Tag – und auch Regen ist toll hier, denn danach ist die Luft frisch und der Geruch von feuchter Erde steigt einem in die Nase.
Die erste Woche in Kpalimé hatten wir Seminar: Allerletzte Fragen klären, einige kulturelle Eigenheiten beigebracht bekommen – linke Hand: niemals nie, außer auf dem Klo! Wenn deine Gastmama sagt „reviens vite“ heißt das nicht, dass du schnell, sondern, dass du heil und gesund wiederkommen sollst – und letzten Freitag unsere erste richtige Ewe-Stunde bei Chérita.
Nun können wir schon einen kleinen Dialog:

Ndo! Efoa? (Guten Tag, wie geht’s?)
Eh, mefon. Woyade? (Gut, und dir?)
Nye ha mefon. N'ko wode? (Auch gut. Wie heißt du?)
N'ko nye ye nye … . Fika netso? (Ich heiße … . Woher kommst du?)
Metso Togo. (Ich komme aus Togo.)

Außerdem hat jeder von uns einen neuen Namen. In Togo wird man nämlich nach dem Wochentag benannt, an dem er geboren wurde. Da ich an einem Mittwoch geboren wurde, heiße ich Aku. Es wird außerdem nach Geschlecht unterschieden. Jonas, mein Einsatzstellenpartner, der auch am Mittwoch geboren wurde, heißt Koku. Der Ewe-Kurs wird nun wöchentlich fortgeführt und ich hoffe, mich nach dem Jahr wenigstens grundlegend auf Ewe verständigen zu können.
Letzten Mittwoch haben wir mit unserem Workcamp angefangen, das Simon und ich leiten. Leiten heißt: ein paar Energizer machen, die Gruppe motiviert halten und Kwami fragen, was es heute zu tun gibt und das an die Gruppe weiterleiten. Da die Arbeit ziemlich anstrengend ist, arbeiten wir bisher immer nur vormittags. In den letzten Tagen haben wir das Grundstück vor dem Siège begradigt und Gras und Blumen eingepflanzt. Es ist ganz unglaublich, wie schnell man mit einer Gruppe von zwanzig Leuten vorankommt. In der nächsten Woche werden wir an der Straße, die zum Siège führt noch einige Bäume pflanzen. Außerdem werde ich Kwami fragen, ob wir ein Schild an der Hauptstraße anbringen können, das zum Siège führt – die Moto-Fahrer wissen nämlich nie genau, wo der Astovot-Siège ist.
A propos Moto-Fahren: Das Hintendrauf sitzen auf Motorrädern ist hier in Kpalimé und auch in Lomé das gängigste Verkehrsmittel. Grundsätzlich gilt: Innerhalb von Kpalimé mindestens 100 CFA, allerhöchstens aber 200 CFA (umgerechnet also zwischen 0,15 und 0,30€ pro Fahrt). Moto-Fahrer erkennt man meist daran, dass sie keine Tasche dabei haben und, wenn sie „leer“ fahren, meist langsamer sind oder Augenkontakt suchen. Auch kann man „Woleya“ (Du wirst gerufen) oder „sssst“ sagen, um ein Moto-Taxi herbeizurufen. Als Yovo bleibt man ohnehin nicht lange ohne Moto, weil quasi jeder einen mitnehmen möchte.
Wenn wir mal nicht Seminar oder Workcamp haben, gehen wir auf den Markt und kaufen Stoffe oder gönnen uns ein kühles Getränk bei der Saft-Frau neben dem Markt. Ich lasse mir jetzt bei Mimi, der Schneiderin unseres Vertrauens, meine erste Pagne-Hose machen. „Ausflüge“ zum Inder sind mittlerweile ebenfalls beliebt: In dem Laden im Zentrum kann man von Nutella über Generatoren und Radios bis Deo und Shampoo alles kaufen.
Am Wochenende machen wir Exkursionen mit unserem altbekannten gelben Astovot-Bus, zum Beispiel zu wunderschönen Wasserfällen, bei denen man baden konnte. Morgen geht es dann auf den Mont Kloto, von dem aus man eine tollen Blick auf Kpalimé und Tomegbé haben soll.

Noch wohnen wir alle zusammen in Kpalimé, noch reden wir die meiste Zeit über deutsch, noch essen wir jeden zweiten Tag Spaghetti - „Schonkost“ bei Astovot, bevor wir richtig scharfes Essen bekommen. Aber wir alle hier sind sehr gespannt auf unsere Gastfamilien und warten sehnsüchtig darauf, dass die zwei Wochen hier vorbei sind und wir endlich richtig ankommen und aufhören, auf Strohmatten zu schlafen.
Und wenn es soweit ist und ich endlich „daheim“ bin, schreibe ich euch wieder- versprochen!

Eure Aku

Franzi und Jonas beim Wasser holen

Wunderschönes Kpalimé

Der Fanmilk-Eisladen
 

Sonntag, 11. September 2011

Kulturschock, der erste

Sonntag früh stieg ich in eine gut klimatisierte Air-France-Maschine, die mich 6 Stunden später in Lomé, Togo absetzte und rief, ich solle vor Juli nicht wiederkommen.
Am Flughafen angekommen, wurden alle Freiwilligen (insgesamt 7 sci'ler, 8ijgd'ler und eine Belgierin) herzlichst von den Mitarbeitern unserer Partnerorganisation Astovot und der Freiwilligen Judith begrüßt. Unser gesamtes Gepäck wurde auf den berühmten gelben Astovot-Bus geladen und wir zu 17t reingesteckt. Wie das geht? C'est facile: vier Freiwillige in jeder Reihe und in einer Reihe eben fünf. Während mir der Fahrtwind das Gesicht streichelt, beobachte ich die Welt draußen, Lomé, das „weiße Haus“ des Präsidenten, einen Friedhof, eine Moschee, eine Kirche, Menschenansammlungen mit Musik und Motorrädern und Apotheken.
Angekommen freue ich mich: Im Haus, in dem wir untergebracht sind, gibt es Strom und fließend Wasser. Dann, unvorbereitet, der erste Kulturschock: Zum Essen gibt es Spaghetti mit Gemüse! Und zum Nachtisch Orangen! ...Davor aber noch eine Zerreißprobe: Wie macht man die mit Trinkwasser gefüllten Plastiksäckchen (pure water) auf? C'est facile: Eckzähne an die Ecke und rein beißen. Dann – genüsslich trinken und den Chlorgeschmack ignorieren.
In den nächsten Tagen zeigen uns die Astovot'ler Lomé. Wir machen einen Besuch bei der deutschen Botschaft, eine Überfahrt auf dem Lac Togo mit togolesischen Booten (Pirogue), eine Begegnung mit dem Vodooglauben auf einem berühmten Markt – Wir sind ganz Touris in unserer Einheitsmontur, den weiß-blauen Astovot-T-Shirts.
Insgesamt lautet das Stichwort bei Astovot: Travailler ensemble pour une solidarité humaine. - Gemeinsam arbeiten für menschlichen Zusammenhalt. So fühlt man sich hier auch. Sehr wohl und sehr aufgehoben. Astovot ist nicht nur unsere Organisation, sondern unsere Familie. Und ohne die wären wir hier ziemlich aufgeschmissen. Ich lerne und lerne und lerne. Versuche, alles zu behalten. Die wenigen Fetzen ewe, die mir Ashraf beigebracht hat. Versuche, an das Mückenspray zu denken, auch wenn mir die freundlichen Tierchen trotz allem die Knöchel zerstechen. Merke, wie unsere Truppe immer selbstständiger wird, immer sicherer im Umgang mit Händlern oder Kindern, die „Yovo, yovo“ (Weißer) rufen. Vieles erscheint mir noch fremd, aber vieles kommt mir nach einer Woche in Togo schon sehr vertraut vor, weil ich es vielleicht aus Tansania oder von Erzählungen früherer Freiwilliger kenne, vielleicht auch, weil es so fremd auch nicht ist, und weil es in Deutschland genauso Friedhöfe, Kirchen und Apotheken gibt.
Es sind schrecklich viele Eindrücke, die hier auf mich herab prasseln wie tropischer Regen und von denen ich noch gar nicht so genau weiß, welche hier erwähnenswert sind und welche nicht. Aber ich versuche mich darin und hoffe, dass ich Euch die Eindrücke ein bisschen vermitteln kann.

Zum Schluss noch ein wichtiges Anliegen: Ich danke ganz herzlich allen Spenderinnen und Spendern! Insgesamt sind 2900€ an Spenden zusammen gekommen, also 1250€ über dem erforderlichen Betrag! Das Geld geht wie bereits erwähnt in einen Solidaritätsfond von IJGD, und der überschüssige Betrag finanziert andere Freiwillige, die nicht so erfolgreich mit ihrem Förderkreisaufbau waren. Nochmals vielen lieben Dank. Wer sich noch nicht in die Spenderliste eingetragen hat, schreibt mir bitte eine Mail: claudiagehtweltwaerts.blogspot.com

Beste Grüße aus Togo!

Eure Claudia

Lomé

Lac Togo

Der Astovot-Bus

Strand in Lomé

Zerreißprobe!

Dienstag, 24. Mai 2011

Coffee Togo?!

Am 4. September werde ich meinen Freiwilligendienst in Togo antreten. Bis dahin beschäftige ich mich mit allerlei Vorbereitungen, Impfungen, Visum beantragen, etc. und natürlich dem Spenden sammeln.
Mein Projekt Astovot-05 ist auf der Homepage von IJGD einzusehen (ijgd.de), ebenso wie Erfahrungsberichte meiner Vorgängerinnen. 
Bei Fragen schreibt bitte eine Mail an claudiagehtweltwaerts@web.de
Für alle Spendefreudigen hier nochmal die Bankverbindung, an die die Spenden zu überweisen sind:

Kontoinhaber: IJGD
Kontonummer: 311 75 03
BLZ: 100 205 00 (Bank für Sozialwirtschaft Berlin)
Verwendungszweck: weltwärts - 11/12 CHWILA CLAUDIA

Für eine Spendenbescheinigung brauche ich dringend eure Unterschrift bzw. eine Benachrichtigung auf meine Mailadresse. Die Spendenbescheinigungen werden von IJGD ab Januar 2012 ausgestellt.

Vielen Dank und beste Grüße,

Claudia