Mittwoch, 19. Oktober 2011

Was? Schon wieder Schule?

Tout va bien à Tomégbé. Seit vorletzten Samstag bin ich nun endlich(!) in Agomé Tomégbé. Da es mindestens hundertzwanzigtausend Eindrücke sind, die in meinem Kopf herumschwirren, werde ich wieder versuchen das Wichtigste herauszufiltern.
Und,immerhin - wie sagt man in Togo - „C'est gratuit“!

Zunächst einmal meine Familie. Sie besteht aus Kodzo, meinem (Gast-)Papa, DaAmi, meiner (Gast-)Mama und Ameyo, meiner kleinen (Gast-)Schwester. Sie sind alle sehr fürsorglich, bei DaAmi habe ich immer freie Essenswahl (am liebsten frittierte Kochbananen mit Bohnen), abends wird mit Kodzo über das Schulsystem diskutiert oder eine kleine Ewe-Einheit eingelegt, danach helfe ich Ameyo bei den Hausaufgaben oder übe Lesen mit ihr. Meine beiden Zimmer sind sehr schön, die Wände cremefarben und inzwischen mit jeder Menge Fotos behangen. Sonstiges Mobiliar sind ein großes Bett, ein Schrank, ein Schreibtisch und -stuhl sowie ein Esstisch, noch mehr Stühle und viele Steckdosen! Und sonst? Gibt es nicht viel von meiner Familie zu berichten, da sie bereits so sehr „Alltag“ und einfach „Maman et Papa“ sind, dass mir jede weitere Erklärung vorkommt, als ob ich erklären würde, wie genau ich denn jeden Morgen meine Zähne putze – überflüssig!
Ach, und sonst haben wir für zwei Wochen einen neuen Mitbewohner, Shantiran aus Nepal, der ebenfalls einen Freiwilligendienst macht und momentan Lehmöfen für die Kirche und unsere Küche baut. Da er nur Englisch spricht, darf mein Kopf jeden Tag von Französisch auf Deutsch auf Englisch umschalten, was manchmal dazu führt, dass ich eine Frage auf Englisch mit „est-ce que“ beginnen möchte.

Und die Schule? Das CEG Tomégbé besteht aus fünf Klassen (6ème bis 3ème, also 7.-10.Klasse) à 36-71 Schülern, acht Lehrern, einem Schuldirektor und zwei neuen deutschen Freiwilligen, nämlich Jonas und mir. Nach der ersten Woche gibt es für uns nicht wahnsinnig viel zu tun, es gibt hier drei Mathelehrer und ich gehe in alle Klassen mit rein und helfe, wo ich kann, zB mache ich nun immer die Hausaufgabenbesprechung am Anfang der Stunde und korrigiere Kurzabfragen. Ich hoffe, demnächst die 5ème übernehmen zu können, da diese vom Direktor unterrichtet wird und er viel anderweitig beschäftigt ist, weshalb immer wieder Stunden ausfallen. Gestern hatten wir eine Elternversammlung zusammen mit den Schülern der 3ème und 4ème und es ist doch schön zu sehen, dass es die klassischen Schulprobleme ebenso am Mörike in Stuttgart wie auch im CEG in Tomégbé gibt: Die Schüler kommen zu spät, die Schüler machen ihre Hausaufgaben nicht, die Schüler schreiben schlechte Noten, sie lernen zu wenig und schwänzen Schule. Zu den „klassischen“ Problemen kommt hier noch hinzu, das viele Familien weder Tisch noch Strom haben und die Kinder deutlich mehr in die Hausarbeit eingespannt werden, so dass sie erst spätabends dazu kommen, die Hausaufgaben zu machen.
Daher haben Jonas und ich uns letzte Woche daran gemacht, die Schulbibliothek auf Vordermann zu bringen, die Bücher zu sortieren und zu katalogisieren und den Staub von den Regalen zu wischen. Und verstaubt ist es hier – die Bibliothek wird nur geöffnet, wenn Freiwillige sich darum kümmern; es gibt momentan leider noch keinen Bibliothekar. Sobald wir mit dem Aufräumen und Sortieren fertig sind, möchten wir eine Hausaufgabenbetreuung anbieten, bei der wir den Schülern auch zeigen möchten, wie man sich auf eine Klassenarbeit vorbereiten kann (gut, dass es am Mörike das Fach „Neue Lernformen“ gab, ich weiß bestens Bescheid!). Außerdem sind momentan Briefe von Herr Jörgs Französischklasse unterwegs – die Brieffreundschaft zwischen dem CEG Tomégbé und dem Mörike-Gymnasium Stuttgart kann bald beginnen! Darüber war unser Direktor M. Sewonou besonders erfreut, da laut ihm die Schüler zu wenig schreiben und lesen, und das soll geändert werden.
Ein heikles Thema ist für uns Freiwillige das Schlagen an togolesischen Schulen. Da wurde auf dem Vorbereitungsseminar sensibilisiert, was das Zeug hält und von ehemaligen Freiwilligen erzählt, wie Kinder mit dem Schlagstock verprügelt werden, wenn sie den Unterricht stören oder die Hausaufgaben nicht gemacht haben. Und wie geht man nun mit so einer Situation um? Keine Ahnung, denn unser Direktor ist glücklicherweise Pazifist und spricht sich offen gegen das Schlagen von Schülern aus. Schlagstöcke gibt es bei uns keine (mehr), der Direktor erklärt den Schülern regelmäßig, dass er sie nicht schlagen wird, wenn sie eine falsche Antwort geben und auch die anderen Lehrer verteilen außer einem freundschaftlichen Klaps auf den Rücken und Noten nichts mehr. Regelmäßig gibt es bei uns im Lehrerzimmer Diskussionen, wie man denn die Schüler am besten bestrafen könne und „am besten“ meint natürlich, sie dazu zu bringen, beim nächsten Mal den Unterricht nicht mehr zu stören oder ihre Hausaufgaben zu machen. Strafarbeiten, Trauvaux manuels („zum Hausmeister schicken“) oder ihnen einfach die Eigenverantwortung der Hausaufgaben nahebringen? Die Musterlösung lässt auf sich warten. Auf jeden Fall aber haben Jonas und ich Glück gehabt nicht mit Thema Schlagen konfrontiert zu werden. Denn obwohl es seit 2009 per Gesetz verboten wurde, Schüler mit dem Schlagstock zu schlagen, ist es an den Schulen anderer Freiwilliger in Agou Ga und Kpalimé noch Gang und Gebe. Und auch viele unserer togoischen Freunde sind der Meinung, dass der ein oder andere Schlag den Schüler wieder zur Besinnung bringt und dazu, fleißiger zu sein. Das Thema ist also noch längst nicht vom Tisch und die Idee des Schlagens noch in vielen togolesischen Köpfen präsent.
Wenn ich meine Vor-und Nachmittage nicht gerade in der Schule oder der Bibliothek verbringe, bin ich oft in Kpalimé, lerne bei Moise Djembe (Trommeln), bei Chérita Ewe und treffe mich mit anderen Freiwilligen. Wir gehen abends zusammen weg oder machen Ausflüge. Letztens waren wir bei den Wasserfällen in der Nähe von Tomégbé, nächste Woche steht die Besteigung des höchsten Berges Togos, dem Mt Agou auf dem Programm. Obwohl ich mich in meiner Familie und auch in der Schule gänzlich aufgenommen fühle, tut es doch gut, sich mit anderen Freiwilligen austauschen zu können und gemeinsam Erfolge und Misserfolge zu teilen. Demnächst haben wir auch vor, Selia und Caro in Balanka, einem kleinen muslimischen Dorf ohne Strom im Norden Togos zu besuchen – ich bin gespannt. Und ihr hoffentlich auch!

Bis dahin,
es grüßt und drückt euch,

Eure Aku.

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